„Hast Du jetzt direkt dem Christian Wulff geschrieben? Das wäre ja doll!“

Internet-Nachhilfe wird zum kleinen Ritual zwischen mir und Opa. Bei unserem zweiten persönlichen Treffen innerhalb einer Woche ist „Ich habe da noch ein paar Fragen zum Netz“ einer der ersten Sätze. Persönlich erklärt es sich aber auch sehr viel besser, warum Twitter von ihm verlangt, unleserliche Worte einzutippen, wie man Texte empfiehlt und – besonders wichtig- wie man den Beziehungsstatus auf Facebook auf „verheiratet“ setzt.

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Der Prozess gegen Christian Wulff beschäftigt Opa. Deshalb will er einen kritischen Artikel auf Twitter empfehlen.

 

Opa (nach dem traditionellen Kaffeetrinken)Ist es okay, wenn ich den Kasten nochmal anwerfe? Ich hab da noch ein paar Fragen.

Oma (flüstert mir zu): Mach‘ das mal mit dem Opa. Der ist seit Deinem letzten Besuch ganz ungeduldig, weil da was nicht funktioniert und ich kann ihm da ja nicht helfen.

Ich: Klar Opa. Worum geht’s denn?

Opa (fährt den PC hoch): Um Twitter. Seit Du mich da beim letzten Mal abgemeldet hast, komme ich nicht mehr rein. Die bieten mir dann an, das Passwort zurückzusetzen. Aber was heißt das?

Ich: Das bedeutet, dass Du ein neues Passwort bekommst. Das können wir eben zusammen machen.

Opa (versucht nochmal mehrfach, sich mit seinen Daten bei Twitter anzumelden. Irgendwann ploppt ein unleserliches Captcha-Fenster auf): Das hier kommt dann irgendwann immer. Was ist das?

Ich: Twitter will damit überprüfen, ob Du wirklich ein Mensch bist. Es könnte ja sein, dass sich statt Deiner eine Maschine versucht bei Dir einzuhacken. Um das zu umgehen, fragen die von Dir etwas ab, das eine Maschine nicht kann – nämlich, die Worte dort abzulesen und einzugeben.

Opa: Aber das kann ich gar nicht lesen. Dabei kann ich noch sehr gut sehen.

Ich (tippe eine komplett sinnlose Buchstabenkombination ein, die da definitiv nicht steht): Ich glaube, das ist auch völlig wurscht, was man da genau eingibt, muss nur grob stimmen.

Opa betrachtet mich skeptisch. Diese Art, sich vor Hacking zu schützen, scheint ihm nicht so richtig einzuleuchten. Mir eigentlich auch nicht, wenn ich’s mir recht überlege. Fix richten wir ihm ein neues Passwort ein, der Opas Twitter-Account @AHaunhorst geht auf. Er hat schon über 50 Follower mit nur einem Tweet. Ordentlich

Oma: Das neue Passwort müsst ihr jetzt aber unbedingt aufschreiben, damit es nicht nochmal so einen Ärger gibt!

Opa: Das mach‘ ich. Aber es ist auch immer kompliziert mit diesen Passwörtern. Oft sagt mir die Seite dann, es wäre nicht kompliziert genug, was ich eingegeben habe. Dann denke ich mir noch kompliziertere Sachen aus, die ich mir aber kaum merken kann.

Ich: Bei Deinem Passwort eben stand aber „gut“ daneben. Das war wohl okay.

Opa: Schön, wenn zumindest Twitter mit mir zufrieden ist. Dann musst Du mir jetzt aber noch erklären, was Follower und anderen followen bedeutet.

Ich: Die 50 Leute, die Dir followen, können alles lesen was Du schreibst. Du folgst bisher allerdings nur mir, deshalb bekommst Du auch nur meine Twitter-Meldungen zu sehen. Wem würdest Du denn noch gerne folgen?

Opa: Hm… wen gibt es denn so?

Ich: Den Papst zum Beispiel. Darüber hatten wir neulich ja gesprochen.

Ich tippe in der Suche @pontifex_de ein, Opa klickt „Folgen“. Dann liest er für Oma den letzten Tweet laut vor: „Wie schön und wie liebevoll ist der Blick Jesu auf uns Menschen! Verlieren wir nie das Vertrauen auf Gottes Geduld und Barmherzigkeit!“

Oma: Und sowas schreibt der Papst selbst? Donnerwetter,

Ich: Nein, das machen andere für ihn, das ist meistens so bei den Nachrichten von Prominenten.

Opa: Dann will ich jetzt aber auch nochmal was twittern.

Ich: Okay. Einer fragt Dich zum Beispiel, ob Du Dir vorstellen könntest politische Diskussionen auch via Twitter zu führen. Dem könntest Du antworten.

Opa klickt souverän auf antworten und tippt „Selbstverständlich!“ ein. Sein zweiter Tweet wird gesendet.

Opa: Dieses „ät“ kenne ich schon von der E-Mail. Aber bei Twitter gibt es doch noch sowas anderes…?

Ich: Den Hashtag. Das ist wie ein Schlagwort. Damit kannst Du Deine Beiträge kategorisieren. Es gab zum Beispiel mal den #Aufschrei, wo Leute ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung geschildert haben. Unser Hashtag ist #FragOpa

Opa: Gut gut. Das leuchtet mir ein, das man das irgendwie sortieren muss. Nun will ich aber auch verstärkt an politischen Diskussionen auf sozialen Netzwerken teilnehmen können. Was könnte ich da machen?

Ich: Du könntest zum Beispiel einen Artikel empfehlen, dessen Meinung Du teilst. Was interessiert Dich denn gerade?

Opa: Die Sache mit Wulff. Das finde ich immer noch schlimm, dass die den trotzdem anklagen wollen. Darüber finde ich muss man diskutieren.

Ich tippe Sueddeutsche.de, der Online-Auftritt von Opas Tageszeitung ein. Wulff ist der Aufmacher, Opa ist ist Fan von der Haltung von Hans Leyendecker. Wir wollen einen Artikel teilen, ich brauche allerdings selbst ein bisschen, bis ich die Mini-Kacheln finde, die zu Facebook und Twitter führen. Gemeinsam twittern wir einen Artikel, der Opa gefällt. Nur für große eigene Meinungsäußerung ist auf 160 Zeichen nicht viel Platz, was Opa etwas enttäuscht. Oma ist hingegen sehr zufrieden mit uns.

Oma: „Hast Du jetzt direkt dem Christian Wulff geschrieben? Das wäre ja doll!“

Opa: Nein, nein. Ich habe das jetzt nur empfohlen. Aber ich glaube, mir ist jetzt klarer wie das alles funktioniert. Vielen Dank Charlotte.
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Ich: Dann möchte ich Dich aber noch um eine letzte Sache bitten Opa: Bei Facebook bist Du immer noch als „Frau“ angemeldet. Darf ich das ändern?

Opa: Mir ist das ja ganz egal, Mann oder Frau ist ja gleich gut. Aber wenn Du meinst.

Ich (ändere Opas Geschlecht auf Facebook): Willst Du noch etwas Persönliches angeben? Politische Einstellung? Lieblingszitat? Beziehungsstatus?

Opa: Beziehungstatus ist okay. Das ich mit Annemarie verheiratet bin, kann ruhig jeder wissen.
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