Mit Opa durch den Juni 2014

Opa hat das neue Buch von Christian Wulff gelesen und ist nun sehr schlecht auf die Medien zu sprechen. Außerdem: der gerettete Höhlenforscher, Mindestlohn und – natürlich – WM-Erkenntnisse.

Charlotte: Opa, du klingst missmutig. Was ist los?
Opa Gottfried: Hast du das neue Buch von Christian Wulff gelesen?Nein, nur die Medienberichte darüber.
Das solltest du aber. Hans Leyendecker hat neulich in eurer Zeitung geschrieben: „Jeder war bemüht, den größten Stein zu werfen“. Das stimmte. Die Journalisten waren da übermächtig und das ist schlimm. Dass es überhaupt möglich ist, dass gegensätzliche Zeitungen ihre Chefredakteure einfach so austauschen – Blome von der Bild zum Spiegel zum Beispiel – da ahnt man bereits, was da im Hintergrund alles läuft. Die FAZ hängt auch mit drin. Alle haben geschrieben „wie wir gehört haben“ aber nichts Konkretes. Da gab es einen Wettlauf, wer die Meldung zuerst hat, ohne eingehend zu recherchieren. Das macht mich richtig depressiv. Eigentlich war das üble Nachrede und Rufmord, was ihr da mit dem Wulff gemacht habt.

Naja, für Vieles wird es schon Quellen gegeben haben. Es ist halt problematisch, wenn die Quellen selbst Gründe hatten, Wulff zu diskreditieren.
Wenn man das genauer nachliest, merkt man, dass das alles damit zusammenhängt, dass bestimmte Medien und Kreise den Wulff nicht wollten. Die Kirchen wollten ihn auch nicht mehr, nachdem er sich für eine Aussöhnung der Gesellschaft mit den Mohammedanern und Immigranten eingesetzt hat. Das finde ich schlimm.

Aber bei manchen Dingen hat er sich ja nicht korrekt verhalten. Zum Beispiel bei seiner Lüge vor dem Landtag.
(Opa unterbricht): Nein! Charlotte, du musst das lesen, um es zu verstehen und etwas dazu sagen zu können. In dubio pro reo. Bei der Anfrage vom Landtag sollte er nun einmal auf bestimmte Fragen antworten und auf nichts anderes. Wenn also gefragt wird: „Haben Sie mit Herrn Geerkens Geschäftsbeziehungen?“, dann muss er mit „Nein“ antworten, denn etwas anderes wurde nicht gefragt!

Das sehe ich anders und er vermutlich mittlerweile auch, schließlich hat er sich ja dafür öffentlich entschuldigt.
Frau Schausten ist doch auch noch „im Amt“, obwohl sie fälschlicherweise behauptet hat, von Freunden Geld für Übernachtungen zu nehmen. Das alles zerstört bei mir jegliches Vertrauen. Der Staatsanwalt von Hannover sollte in die kleinste, unwichtigste Justizbehörde Deutschlands versetzt werden!

Das Verfahren hat Wulff ja zumindest gewonnen.
Aber es bleibt immer etwas hängen! Und das kann nicht wieder gut gemacht werden. Der Journalistenverband sollte sich bei ihm entschuldigen!

Illustration: Katharina Bitzl

Ein paar Medien haben das ja auch getan. Bevor wir nun aber an Christian Wulff kleben: Diese Woche wird über den Mindestlohn abgestimmt, der zum Teil auch für Praktikanten gelten soll. Wir haben dazu eine Umfrage gemacht, und die meisten Praktikanten verdienen nur 400 Euro, arbeiten aber 40 Stunden die Woche.
Na, dein Cousin hat da aber viel mehr verdient!Der ist ja auch Ingenieur…
Ja, vielleicht sollten die Leute das studieren, was gefragt ist! Das ist so festgefahren, viele studieren unwirtschaftliche Sachen. Aber natürlich sollten die Leute für ihr Können angemessen bezahlt werden, das finde ich am Mindestlohn gut. Man sollte das stufenweise versuchen, damit nicht Menschen von heute auf morgen entlassen werden müssen.

„Mir liegt es nicht so, in der Menge die Hemmung zu verlieren.“

Ein weiteres Thema diesen Monat ist ja Fußball…
Mir liegt es nicht, in der Menge die Hemmung zu verlieren. Wenn ich dann Menschen so schreien sehe, finde ich das schlimm. Andererseits genießen die Leute es, enthemmt zu sein. Ich bewundere am Fußball außerdem die Massenkommunikation. Die Leute auf dem Spielfeld wissen immer, wer gerade bereit ist und wo man hinschießen kann, und die Zuschauer im Stadion kommunizieren mit den Spielern. Das hat etwas Urtümliches, wie ein Vogelschwarm der auch ganz intuitiv ohne Chef weiß, wie er wo hinkommt.    

Wie sehr hast du die Spiele bisher verfolgt?
Am Montag habe ich Deutschland gegen Algerien gesehen. Mein kleiner Enkel war unglücklich, dass er das so spät nicht mehr gucken konnte, also habe ich es für ihn aufgenommen. Das war ziemlich schwer, weil das Spiel ja kein festgelegtes Ende hatte, wegen möglichen Verlängerungen. Da musste ich die Technik überlisten, dass sie die gegebenenfalls noch mit aufzeichnet.

Also hast du es zwei Mal geguckt?
Beim ersten Mal habe ich immer wieder mal hingeguckt, beim zweiten Mal dann nicht mehr so sehr. Wenn ich aber einmal in so einem Spiel drin bin, finde ich es auch ganz spannend. Die erste Halbzeit war schlecht und lahm, die zweite war aber klasse! Die Algerier haben mir imponiert, die waren so fix!  

Dann hast du ja bis nachts um halb eins Fernsehen geschaut…
Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich aufgenommen wird. Deshalb bin ich dabeigeblieben. Nicht, dass der Fernseher sich einfach ausschaltet!  

Momentan kursiert ein Video, in dem der Spieler Per Mertesacker einen Reporter nach dem Spiel ziemlich anpflaumt. Der hatte die üblichen Fragen gestellt – warum sie so schlecht gespielt hätten und so weiter.
Die Fragen sind manchmal aber auch wirklich bescheuert, das kann ich gut verstehen! Dann fragen die „Was haben Sie dabei gedacht?“. Verflixt noch mal, das wissen die Spieler doch selbst nicht mehr.  

Dann gab es im Juni noch den geretteten Höhlenforscher!
Man sollte mal hinterfragen, ob es noch notwendig ist, dass Menschen da überall reingehen. Man kann ja auch die Ränder von Vulkanen erforschen. Die Menschen wollen dann immer noch näher ran und dann bekommen sie vielleicht doch was auf den Kopf. Könnte man nicht stattdessen einen Roboter oder eine Videokamera runterschicken? Sich selbst da durchzuzwängen und zu hoffen, dass man wieder rauskommt, finde ich schwierig. Der Aufwand für die Rettung war ja auch sehr groß – aber vielleicht haben sie ja durch die vielen Zuschauer und Leser, die das interessiert hat, auch ein bisschen Geld mit der Rettung eingenommen? Es wäre zu hoffen!  

Gab es denn noch etwas, das dich diesen Monat bewegt hat?
Ja, einen abschließenden Gedanken habe ich mir noch auf meinem Zettel notiert: Man sollte eine Gruppe gründen, die sich dazu verpflichtet, eine Woche lang keine Bild-Zeitung zu kaufen!

Warum?
Weil die Rufmord begehen, zum Beispiel beim Christian Wulff! Und man denen mal zeigen muss, dass man nicht alles hinnimmt, was die schreiben. Ich würde im Gegenzug auch eine Woche lang den Spiegel sabotieren, der Fairness halber.