Mein Opa, die Bildzeitung und ich

Er ist Jahrgang 1929, ich 1988. Er hat einen Krieg erlebt, als Lehrer und Organist gearbeitet, vier Kinder und neun Enkelkinder aufwachsen sehen. Ich habe noch nicht einmal meinen Masterabschluss. In einer Sache sollte ich ihm allerdings voraus sein: Dem Internet. Oder?

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Opa und Bild? Ich bin mir nicht sicher, ob das zusammenpasst.

Heute: Opa ist jetzt mein Facebook-Freund und will mit mir über den Papst sprechen. Und darüber, ob wir in die Bildzeitung wollen oder lieber nicht.

 

Ich: Opa, was machst Du gerade?

Opa: Ich arbeite meine E-Mails auf. Seit ich bei Facebook bin, bekomme ich jeden Tag 20 Nachrichten, die mich darüber informieren, wer mir gerade was geschrieben hat. Das will ich gerne abstellen.

Ich: Das geht auf jeden Fall. Ist aber kompliziert zu erklären. Du musst da unter „Kontoeinstellungen“ und dann „Benachrichtigungen“ klicken.

Opa: Hm, ich find‘ das nicht.

Oma: Keine Hektik, Gottfriedl!

Opa: Hast Du denn meine Nachricht bei Facebook bekommen?

Ich: Ja, danke, habe ich. Opa, wir müssen aber heute über was anderes reden – die Bildzeitung hat geschrieben. Die wollen unseren Blog bundesweit als best-of drucken. Was hältst Du davon?

Opa: Die Frage ist doch, was hältst Du davon?

Ich: Ich bin zwiegespalten. Zum einen würden uns dann sicher viel mehr Leute lesen. Aber andererseits habe ich so meine Probleme mit der Bildzeitung und finde nicht, dass man jede Chance für mehr Öffentlichkeit auch ergreifen muss.

Opa: Also ich habe ja jahrelang die Welt gelesen und finde, dass man die Springer-Presse nicht immer als Feind sehen darf. Aber das scheint bei euch Journalisten ja ein bisschen dazuzugehören, dass man sich seine Feindbilder erhält. Als die Tissy Bruns vom Tagesspiegel gestorben ist, hat zum Beispiel keiner geschrieben, dass sie auch lange bei Springer war. Das hat mich geärgert.

Ich: Mir geht es gar nicht so sehr um das Feindbild. Klar, ich bin mit vielem was die schreiben überhaupt nicht einverstanden. Aber mir geht es auch um euch. Was ist, wenn Leute euch dann auf der Straße erkennen?

Opa: Ach, mir ist das egal. Ich bin doch so kurzsichtig, dass ich die Leute die mich dann ansprechen gar nicht erkenne. Und den Bericht in der Bild selber muss ich ja auch nicht lesen.

Oma: Charlottchen, Gottfried: Macht da keine Dummheiten. Das kann auch aus dem Ruder laufen.

Opa: Hörst Du, was Deine Oma sagt? Omas haben oft Recht, muss ich schon sagen. Aber prinzipiell ist es doch doll, dass die dich fragen. Und wenn das für Deine Karriere gut ist, dann kannst Du das ruhig machen. Was sagen denn Deine Freunde dazu?

Ich: Die aus meiner Klasse in der Journalistenschule sagen, ich soll es nicht machen. Die bereits arbeitenden Journalisten sagen hingegen, ich soll es auf jeden Fall tun. Schwierig. Aber ich denke nochmal übers Wochenende darüber nach. Danke. Wie geht es euch denn sonst?

Opa: Gut, gut, danke! Wir sind gespannt auf den neuen Papst. Man hat ja immer die Hoffnung im Hinterkopf, dass sich endlich was ändern könnte. Der Kirche brechen doch wirklich die Argumente weg, sich weiter stur zu verhalten. Da hat Ratzinger ja mit seinem Rücktritt zumindest einmal mit der Tradition gebrochen. Nun müssten sie nur konsequent sein und sagen: Okay, Papst-sein ist jetzt neuerdings so ein Amt wie Vorsitzender der Bischofskonferenz. Auf Zeit und abwählbar.

Ich: Verrückt, dass Du als jemand der seit 83 Jahren zur katholischen Kirche gehörst solche Ansichten hast…

Opa: Ich finde ich, man sollte den Zölibat abschaffen. Und Frauen sind wichtig! Frauen müssen in der Kirche mitmachen dürfen! Bei der evangelischen Kirche sieht man doch, wie gut denen das tut! Manchmal erinnern mich die Priester ein wenig an die Königinnen im Bienenstock: Alle umschwärmen und verwöhnen sie und wollen es ihnen recht machen. Aber alleine lebensfähig sind die nie und nimmer.

Nachtrag: Dieser Eintrag stammt von letzter Woche Donnerstag. Mittlerweile haben wir der Bildzeitung abgesagt.

 

2 comments

  1. Bei meinen Reisen durchs Netz bin ich zufällig hier gelandet. Echt Klasse das Blog!
    Die Idee über die Gespräche mit Opa und Dir zu schreiben, finde ich phänomenal.
    Schön, wenn man so einen Opa hat. Meiner hat schon lange den Löffel abgegeben. Der war ähnlich gut drauf wie Deiner.

    Grüßchen
    Trudi

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