Charlotte: Sehr spannend, aber auch bedrückend. Man hat das Gefühl, das Land hängt bei allem dazwischen und niemand fühlt sich richtig zuständig.
Ja, manchmal drohen wir zu vergessen, dass Freiheit auch immer Risiko bedeutet. Das fängt im Kleinen an: Wenn du zum Beispiel der SZ-Chefredaktion auf die Füße trittst, kann das Ärger bedeuten. Wenn Russland sich auf die Füße getreten fühlt, bedeutet das noch sehr viel mehr Ärger. Mich stört mit dem Alter immer mehr, dass die Menschen denken, Freiheit sei gratis zu haben und den Krieg dabei vergessen. Dass wir zugucken, wie in anderen Ländern Unrecht geschieht und höchstens Mal Geld dafür hergeben, aber nichts tun, wenn es wirklich gefährlich wird. Wir hauen nur drauf, wenn es für uns ungefährlich ist.
Das sind ja ganz neue Töne von dir? Ich dachte, du seiest Pazifist?
Ich habe verstanden, dass das auf Dauer nicht geht. Deshalb bin ich momentan vielleicht auch schrecklich enttäuscht – weil ich einsehen musste, dass die Welt nicht so weit ist, wie ich gehofft habe. Auch bei den Vorfällen mit IS denke ich immer mehr darüber nach, ob man Menschen, die laut um Hilfe rufen, nicht auch helfen sollte. Ist es dann richtig nichts zu tun, aus Angst, dass es auch schiefgehen könnte? Ich habe schon häufiger gesagt, dass die aktuelle Lage mich stark an die zwei Weltkriege erinnert. Viele werden ins Unglück gerissen und sehen es nicht. Und Putin, auf den viele doch so große Stücke gehalten haben, wahrt auch nur den Schein. Sagt, es sei ein Versehen, dass man da jetzt über die ukrainische Grenze gefahren sei. Und urplötzlich ist dann Krieg.
Bei dem Enthauptungsvideo des amerikanischen Journalisten James Foley wurde ja viel diskutiert, ob man das überhaupt angucken soll. Hast du?
Nein, ich muss die Einzelheiten davon nicht sehen um zu wissen, worum es geht. In den Nachrichten gab es ein Standbild dazu, aber bevor ich das genauer identifizieren konnte, war es auch schon wieder weg. Das finde ich auch richtig so. Aber die Ukraine und IS überlagern momentan wirklich alles. Da gehen in Deutschland sicher auch viele Dinge unter. Es ist schrecklich.
Charlotte lebt in München, ihr Opa Gottfried in Norddeutschland. Das Internet ist ihre Verbindung.
Gibt es denn auch Positives aus deinem Leben zu vermelden?
Da muss ich jetzt lange nachdenken (fängt schließlich an zu lachen). Du hast schon Recht, man sollte nicht immer nur jammern. Dass unsere Enkel uns besuchen ist schön, dass du und ich so regelmäßig sprechen, auch. Und das Wetter war hier auch ganz gut die letzten Tage. Oh, und dass in Diskussionen im Fernsehen mittlerweile mehr Frauen zu Wort kommen, das finde ich auch gut! Die Frauen sagen oft bessere Sachen als die Männer, sind häufig sehr nachdenklich. Es ist wichtig, dass sich das ändert, denn bisher haben ja im wesentlichen immer nur die Männer geredet.
Wirst du mit dem Alter etwa noch zum Freund einer Frauenquote?
Mir wäre es schon lieber, wenn es ohne Quote ginge. Aber da es momentan nicht anders zu gehen scheint, bin ich für eine Quote, jawohl!
Vergangene Woche gab es im SZ-Magazin eine große Geschichte zu Bettina Wulff – wie fandest du das, als alter Christian-Wulff-Fan?
Eigentlich positiv! Auch Frau Wulff wurde Unrecht getan und es ist richtig, das zu benennen und zu korrigieren. Ein bisschen wird dieses Bild allerdings eingetrübt dadurch, dass sie so schnell von einer Beziehung in die nächste geschlüpft ist. Aber es ist wohl unzeitgemäß, dort noch Ansprüche zu stellen. Allerdings finde ich es wirklich schlimm, dass es für sie so schwierig ist, die Gerüchte aus dem Internet über sie löschen zu lassen. Das muss zukünftig besser geregelt werden.
Gerade gab es ja auch einen anderen Vorfall, den man nicht mehr so schnell vergessen machen kann: Von vielen Prominenten wurden die Computer gehackt und Nacktfotos ins Internet gestellt. Was denkst du darüber?
Mich stört es ja nicht, wenn von mir Fotos im Internet landen würden. Und Nacktfotos sollte man generell vielleicht einfach nicht machen. Ich persönlich kam glücklicherweise nie in diese Verlegenheit.
Naja, das war ja früher vermutlich auch anders. Da wurden solche Bilder ja noch entwickelt oder ausgedruckt. Heute kann sie jeder mit seinem Handy machen.
Aber auch da musste man ja sichergehen, dass der Fotograf damit keinen Unfug macht. Und auch sie in einem Geschäft entwickeln zu lassen, wäre ein Risiko. Nein, nein, mein Mitleid hält sich da in Grenzen. Wobei es natürlich für die Geschädigten trotzdem gut wäre, wenn diese Dinge wieder aus dem Internet gelöscht würden.
Die Bilder kursierten dann auch bei Twitter, es wurde öffentlich dazu aufgerufen, sie nicht anzuklicken. Heute nun wird Twitter boykottiert, weil es sich in der Darstellung der Tweets nicht mehr nach der Zeit sondern nach den Vorlieben des Nutzers richten will. Bist du dort überhaupt noch unterwegs?
Ich muss dort immer zu lange suchen, bevor ich eine halbwegs intelligente Meinung finde. Für dich ist Twitter vielleicht toll, weil du gezielt bestimmte Informationen suchst. Aber für mich ist das einfach zu zeitraubend.